Sonntag, 6. Juli 2014

LOW TECH / HIGH EFFECT - Teil 4: Die Gotch Bible

Wir sind echte Schwaben und stets bemüht, mit möglichst günstigen Mitteln ein Optimum an Leistung zu erreichen. Mit unserer monatlichen Artikelserie „LOW TECH / HIGH EFFECT“ wollen wir Euch mit ein paar Anregungen versorgen, wie man sich mit geringem Aufwand richtige Kracher für sein Training zu Hause zulegen kann.


Die Gotch Bible

Karl Gotch
Karl Istaz, geboren 1924, war ein belgischer Ringer und Wrestler mit ungarischen Wurzeln. Er hat auch mehrere Jahre in Deutschland, Kanada und den USA gelebt und gekämpft, aber in Japan wurde er in den 1970ern schließlich zur Legende. Da sein Manager der Meinung war, dass sein europäischer Name auf den Werbeplakaten für die großen Veranstaltungen nicht gut ankommen würde, nannte er sich kurzerhand Karl Gotch - in Anlehnung an Frank Gotch, welcher wiederrum Jahrzehnte vor Karl in den USA zum Kultringer wurde. Sein Einfluss als Trainer auf die japanische Szene wurde wegweisend und die Japaner nannten ihn „Gott des Wrestlings“. Sein letzter Kampf war 1982 und er ist 2007 in Tampa, Florida gestorben.

Einige unter Euch kennen wahrscheinlich Matt Furey und sein „Combat Conditioning“ Furey behauptet, er habe dieses Training direkt von Karl Gotch vermittelt bekommen, jedoch wird dies seit Jahren sehr kontrovers diskutiert.
Viel interessanter ist, dass die Übungen, die Furey in seinem Buch vorstellt, nämlich klassische Liegetütze und Kniebeugen des indischen Ringens, sog. „Dands“ und „Bethaks“, auch von Karl Gotch favorisiert wurden. Auch von Gotch selbst gibt es eine sehr gute DVD-Serie über das Fitnesstraining für Kampfsportler. Hier sieht man ihn auch wie er eine nicht zu kleine Macebell fliegen lässt – ganz im Sinne der A.H.A. Gotch war oldschool und nicht zimperlich und sein Rekord für indische Kniebeugen am Stück sind 9001 Wiederholungen. Ich glaube gelesen zu haben, er hat so um die 4 Stunden dafür gebraucht - das ist Hardcore und zeugt von einer unmenschlichen Kraftausdauer – auch in der Birne. In betagtem Alter brauchte er allerdings zwei künstliche Hüftgelenke, was natürlich für professionelle Kampfsportler mit einem beinharten Trainingsumfang nicht die Ausnahme sein sollte. Gerade die Ringer, und speziell die Japaner, sind bekannt für ihr brutales Pensum. Was uns hier und heute aber am guten Karl besonders interessiert, ist sein legendäres Workout mit einem Stapel Spielkarten, die berühmte „Gotch Bible“.

Das Workout

Das klassische Workout wie es von Gotch selber durchgezogen wurde, ist in Ringerkreisen sowas wie das Salz in der Suppe. Wenn man die Übungen mit guter Ausführung und wenig Pause durchzieht, kommt man schnell an seine konditionellen Grenzen und wird wahrscheinlich abbrechen bevor man das gesamte Kartendeck „durchgezockt“ hat. Für die Gotch Bible braucht ihr also ein volles Pokerspiel inklusive die Joker. Ihr mischt das ganze gut durch und los geht’s: Ihr zieht nun die oberste Karte und diese gibt Euch die Übung und die Wiederholungszahl an.

Schwarze Karten stehen für Beine und werden doppelt bewertet. Piek bedeutet  normale Hindu-Kniebeugen, die sog. „Bethaks“, und Kreuz steht für gesprungene Kniebeugen. Hier ein Beispiel: Ihr zieht eine Piek 8. Das bedeutet, ihr macht 16 indische Kniebeugen; ihr zieht danach eine Kreuz 9, also gibt’s jetzt 18 Sprungkniebeugen.

Karten mit roter Farbe stehen für Liegestütze, der Zahlenwert bleibt einfach. Karo steht für indische Liegestütze, „Dands“, und Herz bedeutet Halbmond-Liegestütze - die letzte Übung schaut ihr Euch besser im Internet an, da die Bewegung mit Worten nur schwer vermittelbar ist. Es ist eine Mischung aus einer Liegestütze und einer dynamischen seitlichen Brücke. Der ganze Körper wird in die Bewegung „reingedreht“. Auch dies ist eine alte und mittlerweile selten gesehene Übung der traditionellen Kampfsportler. Ebenfalls eine kleines Beispiel: Karo 4 heißt, ihr haut 4 Hindu-Legestütze raus und Herz 10 wären eben 10 Halbmond-Liegestütze.

Bilder zählen übrigens zehn und Asse elf bzw. zwanzig oder zweiundzwanzig Punkte für die Beine. Und hier noch Karls Überraschung für die Joker: Beim ersten Joker gibt’s vierzig Bethaks und beim zweiten Joker zwanzig Dands.

Also nochmal: Ihr mischt die Karten gut durch, legt das Deck an eine geschickte Stelle und macht die Stoppuhr an. Ihr solltet nämlich versuchen, Eure Zeit für das gesamte Kartendeck alle paar Trainings zu verbessern. Jetzt zieht ihr eine Karte und los geht die erste Übung. Dann zieht ihr gespannt die nächste Karte und werdet prompt mit der nächsten Übung beauftragt. So macht ihr weiter, bis ihr nicht mehr könnt oder bis das gesamte Deck durchgestrampelt wurde. Oberkörper einfache Anzahl und Beine immer doppelt.
Das ist die Gotch Bible. Simpel, praktisch und herzhaft im Abgang. Wer das durchziehen kann, ist garantiert gut drauf. Freunde der härteren Gangart dürften bereits bei Erwähnung von Sprungkniebeugen gemerkt haben, dass das nichts für Wochenend-Jogger ist. Also passt auf Eure Pumpe auf und nicht bis zum Abkotzen trainieren - ist ja alles nur Spaß.

Das Grundprinzip, mit einem Kartenspiel Übungen und Wiederholungszahlen anzugeben, finde ich einfach genial. Vor allem als Coach wurde Karl Gotch in Japan zum „Beckenbauer“ des sog. Catch-Wrestling und ich glaube, wenn der Typ dein Trainer war, dann warst du in einer Welt des Schmerzes. Deswegen an dieser Stelle noch ein paar Tipps:

Ihr könnt natürlich die Übungen und die Wiederholungen belegen wie ihr lustig seid. Ich habe eine lange Zeit fast ausschließlich eine Variante der Gotch Bible durchgezogen, so ungefähr drei oder vier mal die Woche und das Ding macht gut Druck in der Pumpe: Ich habe normale Liegestütze und Rudern an Ringen für den Oberkörper mit einfachen Kniebeugen und dynamische Gluteusbrücke für die unteren Extremitäten durchgezogen. Oberkörper einfacher Wert, Beine doppelt und keine Joker. Bube war elf, Dame zwölf, König dreizehn und Ass vierzehn Wiederholungen. Meine beste zeit war 30 Minuten und 5 Sekunden oder sowas. Unter 30 Minuten war ich also nie.

Ich schätze mich mal als Mittelmaß, also gibt’s bestimmt so ein paar Kracher unter Euch die das locker knacken. Ich bin allerdings beim Training äußerst fokussiert auf saubere Übungsauführung, also volle Range of Motion und kein halbes Gepumpe. 

Im Internet gibt es Varianten ohne Ende. Manche Leute machen das auch mit Hantelübungen oder eine Mischung aus beidem. Mit Gewichten wählt Ihr am besten aber nur Übungen, die ihr technisch einwandfrei drauf habt und auch bei hoher Erschöpfung keine Bandscheibe flöten geht.  In diesem Sinne…

… habt viel Spaß und passt auf Euch auf.        

In dem Sinne: Stahl Auf! und guten Wochenstart!

       

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