Montag, 2. Februar 2015

HARTER KERN IM FOKUS, Teil 2: Ricky Bruch




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Der schwedische Bud Spencer aus dem echten Leben, Björn Rickard „Ricky“ Bruch.
Er war wahrscheinlich einer der krassesten Typen aller Zeiten: Diskuswerfer, Kugelstoßer, Dichter, Schauspieler. Stets kontrovers, extravagant, körperlich und geistig ein Vulkan. Manche sagen, er war ernsthaft krank im Kopf, aber ich glaube, dieses Prädikat erteilt man immer denen, die auch tatsächlich ans Limit gehen.

Ich bin das erste mal auf Ricky Bruch aufmerksam geworden, als ich vor ein paar Jahren auf YouTube über eine Dokumentation gestolpert bin, "The Soul is Greater than the Earth", welche seinen Werdegang zur Vorbereitung auf die olympischen Spiele 1984 verfolgt. Dieser Film ist ein Meilenstein für jeden Fan der Schwerathletik und kriegt meine allerkräftigsten Empfehlungen. Man sieht hier die zwei Wesen eines wahren Goliath: Mit 1,99 m Körpergröße und einem Wettkampfgewicht von rund 135 kg sitzt er hier in der schwedischen Pampa rum, meditiert, sammelt Steine und zitiert seine eigenen Gedichte; danach kommt gnadenlos brachiales Langhantel-Training, seine psychopathische Vitamin-Pillen-Ernährung (750 Stück am Tag!) oder wie er brüllend die Einrichtung im Gym durch die Gegend schlägt - und gebrüllt wird übrigens viel. Der Film hat meiner Meinung nach einen Sport-Oskar verdient. Hier mal ein kleiner Ausschnitt:




Nun zu den Fakten:

Björn Rickard Bruch wurde am 2. Juli 1946 in Örgryte bei Göteborg geboren. 

Seit den 60er Jahren war er als Diskuswerfer erfolgreich, jeodoch erreichte er seine Bestleistungen erst mit Ende 30, was für Schwerathleten eher die Ausnahme darstellt. Er war insgesamt dreizehn mal schwedischer Meister im Diskus und Kugelstoßen. 


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1969 holte er in Griechenland die Silbermedaille bei der EM und warf kurze Zeit später Europarekord mit 68,04 m. Er lieferte sich in den folgenden Jahren einen privaten Wettstreit mit dem Amerikaner Jay Sylvester: Beide wollten als erster Werfer die 70-Meter-Marke knacken. Bruch und auch Sylvester schafften mehrere Würfe über diese Distanz, jedoch wurden alle Versuche später wegen Wind oder Formfehlern ungültig bewertet. Ricky Bruch warf 1971 70,12 m, sein Diskus wurde nach dem Wettkampf aber gewogen und als genau 7,5 Gramm zu leicht gewertet, was zu seiner nachträglichen Disqualifikation führte. Dieses Urteil löste bei Ricky wahrscheinlich konvulsische Zornspasmen aus und ich will garnicht wissen, was der an dem Tag alles kaputt geschlagen hat. Dem Stiefel hier ging es auf jeden Fall dreckig:


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Im Anschluss an dieses Ereignis hat Bruch noch mal ein paar Kohlen drauf gelegt und in nur einer Saison 22 Wettbewerbe bestritten. Er hat sich bei dieser Rekordjagd so stark verausgabt, dass er einen Nervenzusammenbruch erlitt und wochenlang nicht trainieren konnte. Man sieht auch hier, dass er ein aboluter 150% Mensch war.

Bei den olympischen Sommerspielen 1972 belegte er schließlich den dritten Platz hinter Jay Sylvester und war dann erst mal weg vom Fenster.

Sein großes Comeback haute Ricky Bruch im Alter von 38 Jahren raus und genau darum geht es in der oben angesprochenen Dokumentation. Buben und Mädchen: Zieht Euch diesen Film rein. Wie gesagt, auch in voller Länge zu finden auf YouTube, aber ich lass Euch mal selber suchen.


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Über Bruch kursieren die abgefahrensten Geschichten. Seine Anabolika-Eskapaden zur aktiven Zeit, mehr oder weniger ruhmreiche Filmauftritte in Komödien und Soft-Pornos, zahlreiche medientaugliche Affären, eine Flugzeugentführung(!) und schließlich wurde seiner vielversprechenden olympischen Comeback-Karriere ein vorzeitiges und dramatisches Ende gesetzt: Ricky wurde damals mit 38 Jahren für zu alt befunden und deaktiviert, woraufhin er dem Chef-Trainer der Nationalmannschaft in aller Öffentlichkeit eine Maulschelle verpasst hat. Wie der gute Trainer das überlebt hat, weiß ich auch nicht. Bruch war auch sonst immer wenig diplomatisch mit seiner Kritik in der Presse und dieses könnte evtl. auch zu seinem Auschluss für Olympia beigetragen haben. Nach seinem Rauswurf trainierte er dann wie beklobbt und warf in der Saison 5 Meter weiter als jeder andere in diesem Jahr, leider nicht bei Olympia. Mehrfach betont: Schaut Euch den Film an.

Die ganzen Gerüchte und Legenden dürft ihr im Bedarfsfall selber recherchieren. Auch als Schauspieler war er aber der Mann fürs Grobe und die feinfühligen Melancholiker-Rollen gingen eher an andere Darsteller:


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Ich kann über seine genauen Kraftleistungen nichts finden, in der Dokumentation macht er jedoch Power-Curls mit ca. 160 kg, Bankdrücken mit ca. 220 kg, Box-Kniebeuge mit 350 kg und eine Push Press vom Nacken mit 200 kg und das allein ist mal richtig abartig. Auch zu sehen sind spezifische Übungen für Werfer und es gibt generell einiges Interessantes über das Schwerathleten-Training aus den 80ern zu bestaunen. Was man von Ricky lernen kann: Viel brüllen. Immer brüllen.


Für uns von der Akademie ist und bleibt Ricky Bruch so oder so der coolste Typ überhaupt. Und wenn wir mal wieder am Feuerkorb sitzen und uns lachend seine Geschichten vortragen, fühlen wir uns mit ihm groß und irgendwie, neben ihm, doch ganz klein.




Björn Rickard "Ricky" Bruch starb am 30. Mai 2011 an Krebs. Er wurde 64 Jahre alt.

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Machts gut und haut kräftig rein
Coach Bernd

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