„… against all the odds…”
Odd Objects
Wir sind echte Schwaben und stets bemüht, mit möglichst günstigen
Mitteln ein Optimum an Leistung zu erreichen. Mit unserer monatlichen Artikelserie
„LOW TECH / HIGH EFFECT“ wollen wir Euch mit ein paar Anregungen
versorgen, wie man sich mit geringem Aufwand richtige Kracher für sein
Training zu Hause zulegen kann.
Die
deutsche Übersetzung von „Odd Objects“ lautet in etwa „ungewöhnliche Objekte“. Die
üblichen Verdächtigen sind Baumstämme, Sandsäcke oder Steine, aber dies sind
nur die Hauptvertreter einer sehr großen Familie. Odd Objects haben gemeinsam,
dass es sich hier um Trainingsgeräte handelt, welche ursprünglich nicht für
sportliche Zwecke konzipiert wurden. Die oben genannten Beispiele findet man
nicht in einem Sportfachgeschäft, sondern im Baumarkt oder im Wald nebenan.
Hanteln,
Kettlebells oder Maschinen sind benutzerfreundlich konzipiert und relativ
einfach zu bewegen. Es gibt Griffe, einen genau abschätzbaren Schwerpunkt und
das Training bleibt im traditionellen Rahmen des Altbewährten. Übungen wie
Kreuzheben, Kniebeugen oder Drücken im Stand sind mit Hanteln und einem
angemessenen Gewicht gut kontrollierbare Bewegungen. Das soll nicht heißen,
dass man beim herkömmlichen Hanteltraining nicht auf eine gute Technik und die
nötige Körperbeherrschung achten muss, dennoch gestaltet sich das Training mit Odd
Objects sehr viel anspruchsvoller und meiner Meinung nach auch interessanter.
Wir haben hier oft ungleichmäßige und grobe Texturen, verteilt auf eine
wesentlich benutzerunfreundliche und zugleich schwere Form. Genau dieses schwer
kontrollierbare Wesen ist es, was Training mit ungewöhnlichen Gewichten so individuell
macht.
Jedes
Odd Object hat einen eigenen Charakter, welcher ganz originäre Probleme mit
sich bringt: Baumstamm, Sandsack, Stein, Amboss, Motorblock, schwere Ketten,
übergroße Reifen - all diese Dinge wollen ums Verrecken nicht bewegt werden und
wer es dennoch versucht, der begibt sich auf das Next Level. Griffkraft und
die Körpermitte werden besonders herausgefordert. Das ganze Gewicht wirkt zudem
durch die ungemütliche Form und fehlende Griffe um ein Vielfaches schwerer. So ist es für einige leicht, eine 50 Kilo Langhantel vom Boden über den Kopf zu heben -
verteilt man dieses Gewicht auf Säcke, Steine oder einen kleinen Baumstamm,
kann man sich vorstellen, dass das einen ganz anderen Körpereinsatz nötig
macht.
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Ein Wink mit der Bahnschiene |
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Schraubstöcke zu Core-Blastern |
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"Hydra" |
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Bierfass / Keg |
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Steintrog |
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Steine! grosse Steine, kleine Steine. Think Big! |
Kräftige
Menschen gab es schon vor der Langhantel. Gerade das Steinheben hat eine uralte
Tradition und schon in der Antike gab es legendäre Typen, die berühmt waren für
ihre Power am Geröll. Das Training mit Odd Objects hat einen urtümlichen
Charakter und schafft eine ganz lebendige Atmosphäre. Nach einer fetten Session mit dem Sandsack, Baumstamm und Konsorten
steht man anders im Saft als beim herkömmlichen Satztraining mit der Hantel.
Ich bezeichne dieses Gefühl gerne als „aus einem Stück“ – diese primitive
Ganzkörperbelastung ist „umfassend“.
Odd Objects bewegen sich vom Boden über den Kopf meist mit Zwischenstopps - man muss umgreifen, nachgreifen und balancieren. Das zündet Eure kleinen Helferlein, die sog. Stabilisatoren. Dies sind kleinere Muskelgruppen, welche bei geradlinigen Bewegungen mit gut kontrollierbaren Hanteln oder Maschinen relativ wenig zu tun haben. Mit den ungemütlichen Kollegen muss man also mehr leisten und mehr kämpfen. Der Mensch wächst am Widerstand und genau deswegen ziehen wir uns lieber das grobe Spielzeug aus der Kiste.
Eine zu begrüßende Renaissance in der
Fitnessszene lässt Odd Objects seit einigen Jahren wieder populär
werden. Spätestens
seit Brooks Kubiks Dinosaur Training erfreuen sie sich wieder
wachsender Beliebtheit. Es wird also längst Zeit, dass wir hier endlich unseren Senf dazu geben.
Im
heutigen Text geht es speziell um den Sandsack. Durch den besagten Brooks Kubik bin ich vor zehn Jahren auf das Training mit Odd Objects
aufmerksam geworden. Für den Hausgebrauch ist der Sandsack die einfachste
Lösung. Er ist günstig und einfach in der Herstellung. Es gibt viele Varianten,
sich einen Sandbag zu basteln, aber ich erkläre euch heute meine
Lieblingsmethode. Ich habe einiges ausprobiert und nach intensiven Testreihen
kann ich Euch heute meine Ergebnisse ausplaudern.
Ihr solltet euch zwei alte Seesäcke besorgen. Die gibt’s
im Internet oder beim Army Shop Eures Vertrauens. Gut erhaltene „duffel bags“
sollten wenig bis keine Löcher haben und kosten so 10 bis 15 Euro. Ihr kauft
Euch zwei Säcke, weil wir eine „doppelwandige“ Ausführung vorhaben - Heavy Duty. Lasst Euch
von der Größe nicht abschrecken, richtige Seesäcke sind großvolumig und
besitzen mehrere Metallringe, wo man vorzüglich Spanngurte oder Seile anbringen
kann - dies ist für unser späteres Training Gold wert. Ich hatte immer Seesäcke
von der deutschen Marine, aber die amerikanischen sollen auch gut sein. Wichtig
ist nur, wie oben erwähnt, dass diese gebrauchten Säcke keine Löcher haben. Auf
dem Foto nebenan seht ihr eine deutsche Ausführung. Als
nächstes kauft Ihr Euch 50 Kg Spielsand aus dem Baumarkt. Sand ist das günstigste Trainingsgewicht, das es zu kaufen gibt und mit ein paar Euro
sollte das geregelt sein.
Nun habt Ihr also Sand und zwei Seesäcke. Den
Sand füllt ihr am besten lose in einen alten Kissenbezug. Sand braucht Platz
zum Arbeiten, sonst platzt Euch meistens das Kissen oder sogar der Sack. Dies
gilt es immer zu beachten: Der Sand sollte nie zu dicht gepackt werden, dann
ist alles kein Problem.
Den
Kissenbezug knotet Ihr nun mit einer stabilen Schnur richtig gut zu. Danach
„versiegelt“ Ihr die Schnur mit Klebeband. Erst Schnur, dann Klebeband – das
ist die sicherste Methode. Der gefüllte und verschlossene Kissenbezug kommt nun
in den ersten Seesack. Der Sack wird genauso verarztet wie das Kissen, mit
Schnur und Klebeband. Der gefüllte Sack Nr. Eins kommt jetzt in Sack Nr. Zwei
und es folgt der abschließende Verschluss mit… genau: Schnur und Klebeband.
Ihr
habt jetzt einen Sandsack mit dem NLX-Testurteil: Bombensicher. Der Sand ist in
einem oder mehreren Kissenbezügen frei und locker; die Hülle besteht nicht aus
einem, sondern aus zwei Seesäcken und alles ist astrein verschlossen. Ich habe
mit meinen Sandsäcken immer im Keller trainiert. Nach der hier geschilderten
Methode habe ich bis zu 60 Kg gehoben, geworfen, getragen oder gezogen, alles
ohne Rücksicht auf Verluste und ich hatte nicht einen kaputten Sandsack. Dies
ist also die Heavy Duty Variante.
Ich
hatte immer nur einen einzigen schweren Sandsack. Das Gewicht habe ich häufig
mit Hantelscheiben variiert. Einfach in Handtücher einwickeln und wie gewünscht
im Sack platzieren. Die Tragegurte und Metallringe an richtigen Seesäcken sind
sehr stabil. Ich habe die Gurte immer entfernt um danach ein Seil durch die
Ringe zu ziehen. Falls man später, wie erwähnt, den Sack mit Scheiben füllt,
kann man diese hierdurch gut fixieren. Das Seil dient zudem als Griff für
Übungen wie Kreuzheben, Rudern oder mein persönlicher Favorit, das Wegwerfen.
Wer
es etwas leichter bevorzugt, der ist auch mit nur einem Seesack natürlich
bestens bedient. Ihr könnt den Sand auch in mehrere Kissenbezüge aufteilen und
das Gewicht bequem verändern. Für alle, die ihren Sack auch richtig werfen und
slammen wollen, ist Schnur und Klebeband allerdings Vorschrift.
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zuziehen und danach mit Klebeband versiegeln |
Wie
stabil Ihr Euren Sandsack konstruiert, richtet sich also ganz nach Eurem
Training. Solltet Ihr keine heftigen Geschichten vorhaben, dann reicht unter
Umständen auch nur ein stabiler Kissenbezug. Es gibt mittlerweile von vielen
Herstellern spezielle Fitness Sandbags, diese sind nach meiner Meinung aber
viel zu teuer - Do It Yourself.
Hier
nochmal die Checkliste für den gelungenen Sandbag:
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Seesäcke aus dem Army Shop
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Spielsand
aus dem Baumarkt
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Kissenbezüge
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Niemals
den Sand zu dicht packen
-
Schnur
und Klebeband
Zum
Abschluss noch ein paar Anregungen fürs Workout:
Eine gutes Trainingsprotokoll ist auch eine 50/20 Routine. Die Idee dabei ist mit einem Gewicht, mit dem man sonst nur 10 Wiederholungen hinbekommt, in 20 Minunten 50 Wiederholungen zu machen.
Dafür eignen sich alle Ganzkörperbewegungen, wie z.b.: Turkish Getup, Clean and Squat, Zercher Squat... Der Phantasie sind hier dem vorgeschrittenen Sandbag User keine Grenzen gesetzt. Die Routine wird Deine sogenannte "Work Capacity" auf ein ungeahntes Next Level pushen.
In dem Sinne:
Die Güter der Welt gleiten uns durch die Finger wie der Sand der Dünen.
Antoine de Saint-Exupéry