Montag, 9. März 2015

GRIFFKRAFT, Teil 3: Die bunte Praxis

von Coach Bernd


Im dritten und letzten Teil unserer Griffkraftserie konzentrieren wir uns auf das Training: Hier trage ich ein paar Trainingspläne und Ratschläge der führenden Handathleten zusammen. Die Geschichte und die verschiedenen Disziplinen der Grip Strength waren Inhalt unserer vorangegangenen Artikel, nachzulesen hier: Teil 1 und hier Teil 2.

Als besonderen Bonus präsentiert unser schwäbischer Düsentrieb, Coach Pierre, noch seine selbst gebauten Griffkraft Werkzeuge. Seine Beispiele könnt ihr als Blaupause für eine gelungene Sammlung der unterschiedlichsten Griptools hernehmen.

So wie ich im letzten Artikel die verschiedenen Qualitäten der Griffkraft eingeteilt habe, werde ich auch im heutigen Text verfahren und zu jeder Disziplin die vermeintlich effizientesten Trainingsmethoden und „Geheimnisse“ der führenden Kapazitäten in der Griffkraftszene präsentieren. 

Wir wünschen eine fröhliche Anpassung!

Das Aufwärmen:

Für das Griffkrafttraining braucht Ihr kein allgemeines Ganzkörper-Aufwärmen, d.h. Herz- Kreislauftätigkeiten wie z.B. vor einem schweren Krafttraining.  

Ein spezielles Aufwärmen der beteiligten Muskeln und Gelenke ist aber in jedem Fall zu empfehlen. In Hand und Unterarm befinden sich viele kleine und präzise arbeitenden Strecker und Beuger, welche für eine gezielte Belastung von einem guten Warmup nur profitieren können.

Ich mache vor jedem Training ein paar Mobilitätsübungen wie Schulter-, Ellbogen- und Handgelenkkreisen. Wer leichte Indian Clubs zur Hand hat kann auch mit diesen ein vorzügliches Aufwärmen für die genannten Strukturen durchführen. Wenn ich mich dann etwas „angepumpt“ und bereit für das Training fühle, geht es los.

Für die etwas speziellere Fingeraktivität empfehle ich wieder mal einen Tipp vom guten John Brookfield: Man nehme ein Handtuch, halte es mit beiden Händen an einem der kurzen Ränder hängend vor dem Körper und rolle es nun mit den Fingern und dem Daumen zusammen und wieder auseinander.  


Gerade vor einem Workout mit schweren Fingerübungen ist diese Übung Gold wert. Diese Übung führt nach kürzester Zeit zu einem umfassenden Pump im Unterarm und aktiviert sehr gut die oft vom Sport so angegriffenen epikondylen Muskelansätze im Unterarm (Fingerstrecker und –beuger am Ellbogengelenk), welche bei Überlastung und einseitigem Training (oder ohne sauberes Aufwärmen) zum berühmten Tennis- oder Golfellbogen führen. Wer sehr viele Klimmzüge oder Liegestütze macht, wird sich mit diesen Problemen früher oder später konfrontiert sehen. Speziell hierfür habe ich auch auf YouTube mal ein paar Übungen gefunden, welche ich wärmstens empfehlen kann: 


Genauso wie beim Training mit Gewichten, sollte man nach diesen Mobilitätsübungen erst mal noch zwei bis drei Aufwärmsätze jeder Übung mit ca. 50% Arbeitslast durchführen. Je älter ich werde, desto mehr Beachtung schenke ich auch einem guten Warmup.

Und nun zum Training…

Crushing:

In Teil 2 haben wir bereits die Gripper kennengelernt. Das Grippertraining ist kontrovers: Viele Sportler sagen, vom Grippertraining lerne man nur Eines: Gripper schließen. Das heißt, der Übertrag zu anderen Kraftspielereien, wie z.B. das Training mit der Thick Bar, wird öfter einmal angezweifelt. 

Die Belastung für die Hand ist bei Grippern nicht alltagsnah: Die Finger schließen sich und die Handfläche rollt sich ein, während die Daumenkraft hier lediglich eine marginale Nebenrolle spielt. Wenn man darüber nachdenkt, ist dies eine recht untypische Belastung für die Hände. Es kommt in der Regel nicht vor, dass man Handkraft generieren muss, die sich letzten Endes auf die Kontraktionsfähigkeit der Handfläche und des ersten Fingergelenks konzentriert, ohne jedoch auch den Daumen als Verschluss stark mit einzubeziehen - bei Klimmzügen im Obergriff an einer Mauer oder an sehr dicken Torpfosten vielleicht?

Gripper erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit, nicht zuletzt durch ihre Normierung und Zertifizierung von IronMind. Der Mercedes unter den Grippern ist und bleibt natürlich der   „Captainof Crush“.

Nun sind die Leute von IronMind auch so cool, auf ihrer Seite ausführliche und sogar kostenlose Trainingstipps für ihre Gripper anzugeben. Ich fasse mal kurz zusammen:

1.      Aufwärmen: Ein bis zwei Sätze mit einem leichteren Gripper mit jeweils fünf bis zehn Wiederholungen.

2.      Der Fokus liegt auf Intensität, nicht Volumen.

3.      Zwischen den Einheiten ausreichend erholen

4.      Volle Range of Motion („ROM“ = Bewegungsradius)

5.      15 Minuten Training, dreimal die Woche

Anzumerken wäre, dass es hier um Krafttraining geht und nicht um den Muskelzuwachs. Die grundsätzliche Empfehlung ist hier also hohe Intensität, drei bis fünf Wiederholungen bei drei bis fünf Arbeitssätzen und eher langen Satzpausen von ca. drei bis fünf Minuten. IronMind empfiehlt den Schwerpunkt auf Qualität statt Quantität zu legen. Hier mal ein Beispiel-Workout:

Aufwärmsatz 1:          C.o.C. „Trainer“ x 10 Wiederholungen
Aufwärmsatz 2:          C.o.C. „Trainer“ x 10 Wdh.
Aufwärmsatz 3:          C.o.C. „No. 1“ x 10 Wdh.
Arbeitssatz 1:             C.o.C. „No. 2“ x 3 Wdh.
Arbeitssatz 2:             C.o.C. „No. 2“ x 3 Wdh.
Arbeitssatz 3:             C.o.C. „No. 2“ x 3 Wdh.

Captain of Crush „Trainer“ ist sozusagen das Anfängermodell mit einem moderatem Widerstand von ca. 45 kg. Den C.o.C. „No. 1“ werden viele Leute auf der Straße aber schon nicht mehr schließen können: Dieser Gripper kommt mit ca. 63 kg Spannung.

So wie oben beschrieben könnte auch ein klassisches Maxkraft-Training für das Kreuzheben oder die Kniebeuge aussehen. Die Progression funktioniert so, dass Ihr immer, wenn Ihr mit einer Stufe zehn saubere Wiederholungen schafft, in den Arbeitssätzen einfach die nächsthöhere Intensität verwendet. Alle paar Wochen dann mal einen Maxversuch und dementsprechend den Widerstand im Training neu anpassen. Im oben angeführten Beispiel würde dies bedeuten, wenn Ihr mit dem No. 2 Captain of Crush zehn Wiederholungen packt, benutzt ihr für die 3er-Sätze im kommenden Workout die nächsthöhere Stufe.

Dies ist ein sauberes kleines Programm mit einer guten Progression, sog. „Double Progression“, da hier Wiederholungen und Intensität variieren, also zwei Trainingsvariablen den Ausschlag geben. Das ist ein altbewährter Trainingsansatz aus dem Kraftsport und natürlich nicht nur für das Griffkraft-Training eine gute Methode. Eine andere Variante für diese Progression wäre, dass Ihr die Satzzahl nach und nach erhöht und bei fünf erfolgreichen Arbeitssätzen, die Intensität anpasst.

Gripper gibt es nicht nur von IronMind. Ebenfalls beliebt in der Szene sind David Hornes „Vulcan Gripper“, John Brookfields „JB Grippers“ und Ivankos „Super-Gripper“.
Coach Pierre hat noch etwas ganz Besonderes: Das sprechende Quetschometer.

Wenn Euch die Gripper nicht so richtig anmachen, dann gibt es auch andere Möglichkeiten, die Crushing-Strength zu trainieren. Seit Ende des 19. Jahrhunderts gibt es spezielle „Grip-Machines“, auch „Guillotine“ genannt:


http://www.functionalhandstrength.com/images/lee-grip.jpg
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Diese Dinger gibt es mittlerweile von einigen Fitnessgeräteherstellern für mehr oder weniger Geld zu erwerben. Wenn Ihr Schlosser oder Hobbyschweißer seid, dann könnt ihr Euch sowas natürlich auch selber bauen. Hier noch eine tolle Variante für die ganz harten Minimalisten:

http://oi48.tinypic.com/2zr1gsz.jpg
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Es gibt noch eine weitere Möglichkeit ganz einfach und effizient die Crushing Strength zu trainieren: „Finger Curls“: Man nehme eine Kurzhantel, Langhantel oder Kettlebell in die geschlossene Hand und öffnet nun die Finger senkrecht Richtung Boden, bis das Gewicht gerade noch von den Fingerspitzen gehalten wird. Nun „rollt“ man die Hantel einfach wieder mit der reinen Fingerkraft nach oben, bis die Hand erneut geschlossen ist. Im Internet findet man die wildesten Ausführung dieser Übung mit extrem überdehnten Handgelenken und schön viel Schwung. Das ist kontraproduktiv und begünstigt Verletzungen. Ich empfehle Euch, immer eine saubere Ausführung und Konzentration auf die Zielmuskulatur der Übung. Wie oben bereits erwähnt: Qualität statt Quantität.

Hier noch eine Erklärung vom Meister persönlich, David Horne:
„Deadlift the bar, with an overhand grip. Do not use your wrists, only the fingers. Allow the weight to drop in your fingertips, then 'CRUSH' it back up to a clenched fist.”

Finger Curls habe ich auch schon erstaunlich gut an der Klimmzugstange simulieren können. Wenn ihr ein Handtuch um die Stange wickelt, könnt ihr genau dieselbe Bewegung mit den Fingern ausführen wie mit einer Hantel. In meinem Fall verwende ich ein Türreck und kann die Übung im Stand ausführen und durch die Neigung meines Körpers den Widerstand genau regulieren. Freihängend wäre dies sicherlich eine kaum zu toppende Griffleistung. Übrigens: Auch Wrist-Curls lassen sich mit  so einem Türreck ganz gut improvisieren, falls man keine schweren Hanteln hat. 

Wenn ihr stabile Hände habt und Euch ist daran gelegen, in den Liebhaberdisziplinen zu glänzen, dann kann man Finger Curls auch ins Extrem treiben:

Coach Pierre mit dem "Big Finger" Lift
Eine weitere spartanische Methode, speziell für die Gripper zu trainieren, kommt von John Brookfield. Ich habe Euch im ersten Teil ja schon erklärt, dass er ein Fan von „Low Tech – High Effect“ ist -  ich nehme an, er hat schwäbische Vorfahren. Brookfield geht also einfach hin und hebt befüllte Eimer mit einer Schnabelzange hoch. Das ist phänomenal einfach und effizient. Er empfiehlt, um den Bügel des Eimers ein Stück Leder oder einen alten Gürtel zu platzieren und dann, mit der Zange vertikal nach unten zeigend, den Eimer in einer Art Hammer Curl anzuheben. Das geht einarmig und zweiarmig, auf Zeit oder Wiederholungen und das Gewicht ist einfach regulierbar.

Ich denke, in einen namhaften Gripper zu investieren, lohnt sich auf jeden Fall, da die Geräte meist nicht sehr teuer sind und bei den meisten Leuten wahrscheinlich ein Leben lang halten. Es gibt Leute die bevorzugen Ivankos Supergripper, da das sog. "Set Up", also das optimale Greifen des Grippers, hier einfacher ist, als bei den Captains of Crush. 


Pinching

Die einfachste Übung für die „zukneifen“ - d.h. der Daumen drückt massiv gegen die Finger - ist das „Plate Pinching“, zu Deutsch: „Scheibenkneifen“. In der Regel nimmt man hier mehrere Hantelscheiben und versucht dann, diese mit Handkraft zusammenzudrücken und so vom Boden zu heben. Man kann hier entweder die Scheiben über eine bestimmte Zeit isometrisch halten oder man macht einen der klassischen Maxkraft-Ansätze wie das vorgestellte Programm der IronMind C.o.C. Gripper, siehe oben. Einzelwiederholungen (Singles) werden hier natürlich auch oft verwendet. Am besten Ihr trainiert beide Varianten von Zeit zu Zeit.

In der Griffkraftszene haben sich hier ein paar Benchmarks evolviert: Zwei 10 Kilogramm Scheiben einhändig zu heben ist ein ganz ordentliches Mittelmaß, aber wer sich zu den kräftigen Griffathleten zählen will, sollte zu Folgendem fähig sein: Sechs 5 kg Scheiben, zwei 20 kg Scheiben oder drei 10 kg Scheiben mit einer Hand vom Boden in den Stand. Jawoll, da bleibt kein Auge trocken. Probierts mal aus. Diese Richtwerte stammen von Jedd Johnson und der DieselCrew. Er sagt aber selber, wer das gehoben kriegt, ist Weltklasse.

Speziell beim Pinch Lifting gibt es ein paar Klassiker: Den Hub Lift und den Blob Lift. Ein Hub ist der erhabene Mittelteil einer York Barbell 20 kg Langhantelscheibe:
  

http://www.notsoboringlife.com/wp-content/uploads/2007/04/45hublift-1.jpg
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Training meets Food 


York Barbell war einer der ersten Hersteller von Scheibenhanteln in den USA und ist heutzutage Kult im Kraftsport. Die Firma wurde 1932 von Bob Hoffman, dem sog. „Father of Weightlifting“, gegründet. Hier ein Artikel, speziell zu den Hub Lifts, mal wieder von Jedd Johnson: Hub Lifting. Alte York Hantelscheiben sind in Deutschland eher selten, aber es gibt mal wieder von IronMind einen Simulator. Unser eigenster Coach Pierre hat seine „Do It Yourself“ Power spielen lassen und präsentiert ein paar kostengünstige und vielseitige Eigenbau-Kreationen:


Mit dem Hub haben sich in den vergangenen Jahrzehnten drei Kultübungen etabliert: 1. Der Hub Transfer: Hierzu hebt man die Scheibe am Hub vom Boden, beschleunigt nach oben, lässt auf Hüfthöhe los und versucht nun, mit der anderen Hand die Scheibe erneut am Mittelteil zu fangen. 2. Der Hub Curl: Die Hantelscheibe vom Boden in den Stand heben, dann umdrehen und „einfach“ einen Bizeps Curl machen. 3. Der Hub Clean (& Press): Heben am Hub, zur Schulter Umsetzen und über den Kopf drücken. Alle diese Übungen werden nur von den richtig üblen Tieren im Griffsport beherrscht und bilden ein schönes Endziel für jahrelanges Fingerkneifen auf höchstem Niveau.

Hier noch ein Link zum Weltrekord mit dem IronMind Hub Adapter. Hier kann man wieder gut sehen, dass Handkraft was Spezielles ist: Nicht alle Griffkraft Top-Athleten sind Massemonster oder dicke Strongman Typen (aber viele).

Der Blob ist die eine Hälfte einer 100 Pfund-Kurzhantel (englische Pfund: Umrechnung geteilt durch 2,2, also rund 45 kg), wiederrum von York Barbell. Diese Hanteln sind aus einem Stück gegossen und die beiden Gewichte links und rechts sind relativ mächtige Stahlklumpen.

http://www.yorkblob.com/sitebuilder/images/sale.100lb.db.single-249x119.jpg
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Auch diese Kurzhanteln von York sind Kultgeräte und teuer. Irgendwann kam der amerikanische Kraftsportler Richard Sorin, hat die beiden Gewichte abgeflext und fertig waren die Blobs, zwei Stahlbollen mit einem Gewicht von ca. 21 kg. Diese sind im wahrsten Sinne des Wortes "unhandlich". Hier Richard Sorin, zu sehen mit dem ersten Blob:

http://www.dieselcrew.com/wp-content/uploads/2009/11/greats2_clip_image005.jpg
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Sorin ist 1,95 m und hat vermutlich große Hände. Man beachte seine Schwierigkeiten den Blob zu fassen: Die originalen Klumpen sind monströs und bleiben für Normalsterbliche "unerheblich". Blobs gibt es mittlerweile in verschiedenen Ausführungen und Gewichten und auch in unserer A.H.A. Waffenkammer sind ein paar Verwandte zu finden.


Das Pinchen trainiert man in der Regel mit isometrischen Versuchen auf Zeit oder man macht schwere Einzelwiederholungen. Ein griffstarker Amerikaner hat in einem Forum einmal gesagt, er kenne eigentlich keinen erfolgreichen Handathleten, der nicht irgendwie isometrisch trainiert. Auch die Double Progression von den Grippern kann hier selbstverständlich wieder benutzt werden.

Für das Training mit Einzelwiederholungen lohnt sich auch noch ein anderer Ansatz: Rest-Pause Training. Hierzu wählt man ein Gewicht, welches man z.B. drei mal sauber bewältigt und macht nun 20 Singles mit zehn oder zwanzig Sekunden Pause zwischen den Hebungen. Man erreicht so ein höheres Volumen mit höheren Intensitäten als durch normales Satztraining. Die Progression besteht hier aus einer angestrebten Gesamt-Wiederholungszahl mit einem bestimmten Gewicht (in unserem Beispiel eben die 20 Wiederholungen) oder man versucht die Pausenzeit zwischen den Singles zu reduzieren, bis man mit dem Ausgangsgewicht 20 Wiederholungen ohne Pause heben kann. Rest-Pause Training kann aber mit vielen verschiedenen Varianten gefahren werden.


Coach Pierres 20 kg Custom-Hammer als Blob-Ersatz

Support

Die Support-Kraft unserer Hände kommt bei allen Zugübungen zum Einsatz: Die Finger tragen die Hauptlast und der Daumen arbeitet kräftig dagegen, um die Hand geschlossen zu halten. Beim Kreuzheben, Rudern oder Klimmziehen ist also genau dieses Zusammenspiel gefragt. Support-Kraft ist die Allzweckwaffe der Hände und schon die Old School Kraftathleten haben ihre Fähigkeiten in dieser Disziplin durch besonders dicke Griffe an ihren Hanteln demonstriert. 

Das sog. „Thick Bar“-Heben, also „Dicke Stange“, hat eine lange Tradition. Alle berühmten Zirkushanteln der ersten Generation zeichnen sich durch ihren enormen Griffdurchmesser aus. Ihr könnt das selber ausprobieren, indem Ihr einfach ein Handtuch um eine Langhantel rollt und somit eine künstliche Vergrößerung des Durchmessers herstellt. Je weiter die Hände greifen müssen, desto schneller gehen Euch die Finger oder der Daumen auf und das Gewicht bewegt sich entweder gar nicht vom Boden oder fällt Euch relativ schnell aus den Griffeln.

Hier sehen wir Hermann "The Mighty" Görner mit seiner Langhantel: 150 kg und 7 cm (!) Griff-durchmesser. Man sagt, er konnte das Teil zu jeder Zeit ohne Aufwärmen - aus der kalten Hose - über den Kopf reißen. 

http://www.rosstraining.com/images/gorner2.jpg
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Die Thomas Inch Kurzhantel ist wohl die populärste Thick Bar der Welt geworden. Auch im A.H.A. Fundus befindet sich eine Variante davon.

Hier sehen wir unsere NLX Trainerin Nicole, 
Tarnname: "Pippilotta", mit der 38 kg Baby Inch:
Respekt!

Einfach zu simulieren sind die Thick Bars mittlerweile durch die Griffmanschetten von Fatgripz oder Ihr baut Euch kostengünstig eine Ultra Thick Dumbbell:


2"  Zoll Griffdurchmesser
Eine ganz besondere Form des Support Lifting, sind die Ball Dumbbells. Unser Coach Pierre hat erst kürzlich eine Hardcore-Variante davon aus seinem Labor hervorgeholt. Ihr seht also, mit genügend Geschick und Vorstellungskraft sind den Freuden eines Haussportlers nahezu keine Grenzen gesetzt.

Erst futtern, dann Quetschen.

Da bleibt kein Auge trocken. Garantiert.

Die ganze Geschichte der Thick Bars und ihren Abwandlungen findet ihr im erstenTeil dieser Serie.

Zum Training bleibt eigentlich das Selbe zu erzählen, wie beim Pinchen. Isometrische Sätze und progressive Einzelhebungen sind hier meistens die Methode der Wahl, da es im wettkamporientierten Griffsport, wie oben bereits erwähnt, nicht um Muskelmasse geht, sondern um anatomisch sehr spezielle Maximalkraftdisziplinen.


Wrist Strength

Die Kraft im Handgelenk ist eine komplett andere Geschichte als die bisher beschriebenen Fähigkeiten der Hände und Finger selber. Natürlich hat ein erfolgreicher Griffathlet niemals schwache Handgelenke, aber umgekehrt kann jemand mit dem Handgelenk viel „Hebeln“ und trotzdem Schwächen beim ganzen Rest der Fingerkraft aufweisen.
Die klassischen Tests der Handgelenkskraft sind das Biegen (Bending) von Stahlbolzen oder Nägeln und das Hebeln von Vorschlaghämmern (Levering). Diese Übungen erfordern natürlich auch einiges an Handkraft (vor allem Schmerzresistenz beim Biegen), dennoch braucht man für gute Leistungen im Thick Bar Lifting oder beim Pichen ein spezielles Fingertraining und relativ wenig Power aus dem Handgelenk.

Große Hämmer mit gestrecktem Arm zum Kopf zu führen und wieder hochzudrücken oder Nägel und Stangen zu verbiegen sind traditionelle Zirkustricks und erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit beim ambitionierten Hebervolk.

Das Training mit Hämmern sieht schon dynamischer aus als bei den anderen Fingerspielereien. Man kann hier mit etwas höheren Wiederholungszahlen durchaus noch gute Kraftgewinne erzielen, da die primäre Muskulatur - die Strecker und Beuger des Unterarms - gut auf klassische Hypertrophie-Protokolle ansprechen und die Bewegungen weniger alltagsfremd sind als z.B. ein Hublift. Dennoch werden auch hier oft isometrische Kontraktionen und Maximalkraftversuche unternommen.

Stahlbiegen und Vorschlaghämmer hebeln ergänzt sich gegenseitig und wird deswegen auch oft simultan spezialisiert. 
Hier mal ein guter Artikel zum Thema:  How I Trained to Bend.   

Viele Leute schwören auf die Wrist Rollers: Hierzu nimmt man einen Stock, ein Rohr, eine Hantelstange etc. und wickelt eine Schnur auf und ab an deren Ende ein Gewicht hängt. Ich kann Euch versichern, es gibt wenig Übungen, die einen so heftigen Pump im Unterarm verschafft, wie diese. Coach Pierre hat auch hier seine eigene Kreation am Zugturm zu bieten:




Die einfachste Methode, die Handgelenke zu trainieren sind Wrist Curls: Kurzhantel in die Hand, den Unterarm im Sitzen auf das Bein oder eine Hantelbank ablegen und „curlen“. Die Übung gibt es für die Handgelenksbeuger und –strecker, allerdings sind Letztere signifikant schwächer. Hier mal eine etwas bessere Demonstration vom guten alten Lee Hayward.

Ich empfehle, die Handgelenke durch eine für Euch bequeme Range of Motion zu bewegen und nicht die Hantel in die Finger des komplett überstreckten Handgelenks rollen zu lassen. Die unsaubere Ausführung verschleißt nur die empfindlichen Nervenkanäle im Handgelenk und macht die Übung kein bisschen effizienter. Ich gehe immer aus einer neutralen Stellung, also Handgelenk normal „gerade aus“, in meine gewünschte Endstellung und vermeide bewusst eine Dehnung in die Gegenrichtung.

Eine weitere beliebte Übung sind „Plate Curls“: Man nehme eine 5 oder 10 kg Hantelscheibe im Pinch Grip, das heißt zwischen Daumen und Handfläche, und macht ganz normale Bizeps Curls. Dadurch das der größte Teil der Scheibe über die Hand hinausgeht, muss das Handgelenk isometrisch kräftig stabilisieren:


http://www.bodybuilding.com/fun/cyberpump40a.jpg
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Für das Training der Handgelenke verwende ich gerne eine absteigende Wiederholungszahl mit ansteigendem Arbeitsgewicht: 1. Satz 20 einfache Wdh. zum warm werden. 2. Satz 15, 3. Satz 10 und 4. Satz 5 Wdh. Insgesamt macht man so 50 Wiederholungen und wenn man in jedem Satz gut an sein Limit geht, haut das ordentlich rein und ist auch für andere Muskelgruppen gut geeignet. Für das hebeln mit dem Hammer verwende ich isometrische Sätze und variiere die Satzdauer zwischen 30 und 60 Sekunden. Den Hammerstiel markiere ich an mehreren Stellen mit Klebeband und kann hierdurch gezielt verschiedene Hebellängen gezielt wiederholen.

Für das Stahlbiegen kann ich Euch keine persönlichen Erfahrungen mitteilen, da ich dieses nicht trainiere, aber der oben gezeigte Artikel ist schon mal eine gute Anlaufstelle.

Extensorentraining

Viele Kletterer betreiben als Ausgleichsport ein Extensorentraining der Finger und auch in der Kraftsportszene hat sich langsam herumgesprochen, dass es Sinn macht, nicht nur in eine Richtung zuzupacken. So wie man z.B. von einseitigem Bodybuilding (Discopumper) ein muskuläres Ungleichgewicht im Oberkörper antrainiert, kann man auch die Hände mit der Zeit in eine Disbalance zwischen Schließen und Öffnen bringen. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt sich nach jedem Grifftraining noch eine Belastung der Fingerstrecker mit Hilfe von Gummibändern: 



Meistens führe ich jedoch eine Übung mit Eigenwiderstand aus: Hierzu legt man einfach die Fingerspitzen der einen Hand auf die Fingerspitzen der anderen Hand und versucht nun, gegen den selbst generierten Druck die gewünschte Hand zu öffnen.

Ich mache hier nach jedem Workout 3 bis 5 Sätze mit 20 sauberen Wiederholungen.



Hier noch ein bunte Auswahl aus dem Bereich: Hans Dampf-im-Arm oder
"Heba ond Lupfa"

Ring: Heba ond Baby Inch: Lupfa

Chopstick - Next Level Trainingsstäbchen

Doppel D ist auch ok

Pink Betty, Griffdurchmesser: 6,5 cm


Zum Abschluss noch ein paar nützliche Links für alle Anfänger und Experten:


In diesem Sinne: Get a Grip! 
und fröhliches Nachbauen und Ausprobieren
wünscht Eure A.H.A


Montag, 9. Februar 2015

Harter Kern im Fokus Teil 3: Johann Martin

"Wer denkt, ein Athlet zu sein, hat aufgehört einer zu werden"

In einer ehemaligen Hamburger Turnhalle aus rotem Klinker hat er sich ein Kraft- und Athletik Trainingszentrum vom feinsten eingerichtet. Es gibt kein Chrom, keine Spiegel aber jede Ecke ist durchdacht und bietet die verschiedensten Möglichkeiten. Hier trainiert er mit 68 Jahren nach wie vor junge Erwachsene im Gewichtheben und Kettlebelltraining. Auch Top Athleten wie Sandra Völker gehörten einst zu seinen Schützlingen. Die Rede ist von der Gewichtheber- (ehemaliger Weltmeister), Kettlebell-, Athleten- und Trainerlegende und Diplom Sportlehrer Johann Martin.



Johann, geboren und aufgewachsen im heutigen Kasachstan, entdeckte seine Liebe zum Kraftsport mit 13 Jahren. Seitdem hat er nicht mehr damit aufgehört und sagt über sich selbst, daß Sport nicht eine temporäre Freizeitbeschäftigung ist, sondern daß Sport seinen ganzen Lebensweg begleitet hat, durch Höhen und Tiefen. Doch zunächst brachten ihn seine beruflichen Pflichten im Sovjet Staat zu einer Ausbildung und Tätigkeit als Schlosser. Danach konnte er seinem Traum ein Stück näher kommen. Er wurde Diplomsportlehrer, Leiter der betrieblichen Gesundheitsförderungsabteilung in einem Industriebetrieb und professioneller Trainer für Kettlebell und Gewichtheben. Die Kettlebell war in der damaligen Sovjetunion sehr populär, fast jeder Haushalt hatte so eine Eisenkugel mit Griff obendrauf.  Es folgte für Johann Martin eine Zeit der Erfolge als Athlet und als Trainer.

Dann übersiedelte der Trainer, der in jeder Stadt in der er gelebt hat ein Trainingszemtrum für Schwerathletik aufgebaut hat nach Deutschland. Ausser seinem Wissen konnte er nicht viel mitnehmen. Und auch hier baute er, nach einer Zeit der Tätigkeit für Verbände und Vereine und beachtlichen Erfolgen seiner Schützlinge bei deutschen Meisterschaften, wieder ein Zentrum für Schwerathletik auf. Den Athleten Club Hamburg e.V. und die Johann Martin Akademie.



Johann trainierte eine Riesenzahl an jugendlichen Athleten darunter Namen wie Sandra Völker, die erfolgreiche Schwimmerin und mehrfache Weltmeisterin, die während der Arbeit mit Johann beachtliche Fortschritte in ihrer Kraftperformans machte. 


Nicole und Claus haben Johann Martin in Hamburg besucht und einen 5 stündigen Workshop und Personaltraining bei ihm absolviert. Dabei ging es um die klassischen Kettlebell Übungen und um einige Techniken mit der Langhantel und natürlich um die Verbesserung unseres persönlichen Könnens und Wissens. Vielen Dank an Johann Martin. Es hat sich wieder gezeigt, daß man von den besten ihres Faches sehr viel in sehr kurzer Zeit lernen kann. Gerne erzählen wir Euch von diesem Besuch und dem Workshop und geben alles weiter was wir dort gelernt haben.





Außerdem stehen nun sein Buch und seine DVD in der NLX Bibliothek bereit für Euch. Viel Spaß damit.



Gewichtheben und Kettlebell - Ein Lehrbuch in 1178 Bildern

Zum Abschluß hier noch ein Klassiker über Johann: 50 Jahre Kampf mit dem Eisen.




Viel Spaß und viele next levels
Eure Coaches

Montag, 2. Februar 2015

HARTER KERN IM FOKUS, Teil 2: Ricky Bruch




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Der schwedische Bud Spencer aus dem echten Leben, Björn Rickard „Ricky“ Bruch.
Er war wahrscheinlich einer der krassesten Typen aller Zeiten: Diskuswerfer, Kugelstoßer, Dichter, Schauspieler. Stets kontrovers, extravagant, körperlich und geistig ein Vulkan. Manche sagen, er war ernsthaft krank im Kopf, aber ich glaube, dieses Prädikat erteilt man immer denen, die auch tatsächlich ans Limit gehen.

Ich bin das erste mal auf Ricky Bruch aufmerksam geworden, als ich vor ein paar Jahren auf YouTube über eine Dokumentation gestolpert bin, "The Soul is Greater than the Earth", welche seinen Werdegang zur Vorbereitung auf die olympischen Spiele 1984 verfolgt. Dieser Film ist ein Meilenstein für jeden Fan der Schwerathletik und kriegt meine allerkräftigsten Empfehlungen. Man sieht hier die zwei Wesen eines wahren Goliath: Mit 1,99 m Körpergröße und einem Wettkampfgewicht von rund 135 kg sitzt er hier in der schwedischen Pampa rum, meditiert, sammelt Steine und zitiert seine eigenen Gedichte; danach kommt gnadenlos brachiales Langhantel-Training, seine psychopathische Vitamin-Pillen-Ernährung (750 Stück am Tag!) oder wie er brüllend die Einrichtung im Gym durch die Gegend schlägt - und gebrüllt wird übrigens viel. Der Film hat meiner Meinung nach einen Sport-Oskar verdient. Hier mal ein kleiner Ausschnitt:




Nun zu den Fakten:

Björn Rickard Bruch wurde am 2. Juli 1946 in Örgryte bei Göteborg geboren. 

Seit den 60er Jahren war er als Diskuswerfer erfolgreich, jeodoch erreichte er seine Bestleistungen erst mit Ende 30, was für Schwerathleten eher die Ausnahme darstellt. Er war insgesamt dreizehn mal schwedischer Meister im Diskus und Kugelstoßen. 


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1969 holte er in Griechenland die Silbermedaille bei der EM und warf kurze Zeit später Europarekord mit 68,04 m. Er lieferte sich in den folgenden Jahren einen privaten Wettstreit mit dem Amerikaner Jay Sylvester: Beide wollten als erster Werfer die 70-Meter-Marke knacken. Bruch und auch Sylvester schafften mehrere Würfe über diese Distanz, jedoch wurden alle Versuche später wegen Wind oder Formfehlern ungültig bewertet. Ricky Bruch warf 1971 70,12 m, sein Diskus wurde nach dem Wettkampf aber gewogen und als genau 7,5 Gramm zu leicht gewertet, was zu seiner nachträglichen Disqualifikation führte. Dieses Urteil löste bei Ricky wahrscheinlich konvulsische Zornspasmen aus und ich will garnicht wissen, was der an dem Tag alles kaputt geschlagen hat. Dem Stiefel hier ging es auf jeden Fall dreckig:


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Im Anschluss an dieses Ereignis hat Bruch noch mal ein paar Kohlen drauf gelegt und in nur einer Saison 22 Wettbewerbe bestritten. Er hat sich bei dieser Rekordjagd so stark verausgabt, dass er einen Nervenzusammenbruch erlitt und wochenlang nicht trainieren konnte. Man sieht auch hier, dass er ein aboluter 150% Mensch war.

Bei den olympischen Sommerspielen 1972 belegte er schließlich den dritten Platz hinter Jay Sylvester und war dann erst mal weg vom Fenster.

Sein großes Comeback haute Ricky Bruch im Alter von 38 Jahren raus und genau darum geht es in der oben angesprochenen Dokumentation. Buben und Mädchen: Zieht Euch diesen Film rein. Wie gesagt, auch in voller Länge zu finden auf YouTube, aber ich lass Euch mal selber suchen.


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Über Bruch kursieren die abgefahrensten Geschichten. Seine Anabolika-Eskapaden zur aktiven Zeit, mehr oder weniger ruhmreiche Filmauftritte in Komödien und Soft-Pornos, zahlreiche medientaugliche Affären, eine Flugzeugentführung(!) und schließlich wurde seiner vielversprechenden olympischen Comeback-Karriere ein vorzeitiges und dramatisches Ende gesetzt: Ricky wurde damals mit 38 Jahren für zu alt befunden und deaktiviert, woraufhin er dem Chef-Trainer der Nationalmannschaft in aller Öffentlichkeit eine Maulschelle verpasst hat. Wie der gute Trainer das überlebt hat, weiß ich auch nicht. Bruch war auch sonst immer wenig diplomatisch mit seiner Kritik in der Presse und dieses könnte evtl. auch zu seinem Auschluss für Olympia beigetragen haben. Nach seinem Rauswurf trainierte er dann wie beklobbt und warf in der Saison 5 Meter weiter als jeder andere in diesem Jahr, leider nicht bei Olympia. Mehrfach betont: Schaut Euch den Film an.

Die ganzen Gerüchte und Legenden dürft ihr im Bedarfsfall selber recherchieren. Auch als Schauspieler war er aber der Mann fürs Grobe und die feinfühligen Melancholiker-Rollen gingen eher an andere Darsteller:


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Ich kann über seine genauen Kraftleistungen nichts finden, in der Dokumentation macht er jedoch Power-Curls mit ca. 160 kg, Bankdrücken mit ca. 220 kg, Box-Kniebeuge mit 350 kg und eine Push Press vom Nacken mit 200 kg und das allein ist mal richtig abartig. Auch zu sehen sind spezifische Übungen für Werfer und es gibt generell einiges Interessantes über das Schwerathleten-Training aus den 80ern zu bestaunen. Was man von Ricky lernen kann: Viel brüllen. Immer brüllen.


Für uns von der Akademie ist und bleibt Ricky Bruch so oder so der coolste Typ überhaupt. Und wenn wir mal wieder am Feuerkorb sitzen und uns lachend seine Geschichten vortragen, fühlen wir uns mit ihm groß und irgendwie, neben ihm, doch ganz klein.




Björn Rickard "Ricky" Bruch starb am 30. Mai 2011 an Krebs. Er wurde 64 Jahre alt.

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Machts gut und haut kräftig rein
Coach Bernd

Sonntag, 25. Januar 2015

GRIFFKRAFT, Teil 2


Bunte Theorie


Hallo, Leute!
Im zweiten Teil unserer Griffkraft-Serie gebe ich Euch einen kleinen Überblick zu den Funktionen unserer Hand und die gängigsten Griffkraftdisziplinen. Für alle Spätzünder hier der Link zu Teil 1
 
Viel Spaß!



Was ist Griffkraft? Die meisten Leute denken jetzt vielleicht an diese billigen Hand-Gripper aus dem Supermarkt: Eine Stahlfeder mit zwei Plastikgriffen zum zusammenquetschen. In der Tat verbirgt sich hinter diesen Dingern ein wichtiger Aspekt unserer Griffkraft, aber eben nur einer von Vielen. Übrigens: Schon der Seewolf wusste, dass starke Hände eine dicke Hose machen.

Die Hände sind eigentlich ein anatomisches Kunstwerk: 27 Knochen und 33 Muskeln komponieren ein millimetergenaues Zusammenspiel von Handgelenk, Handfläche und Fingern: Beugen und Strecken des Handgelenks in vier Richtungen; Beugen und Strecken oder Abspreizen und Zusammenführen der Finger, sowie Schließen und Öffnen der Handfläche samt Beugen und Strecken des Daumens in alle Richtungen. 

Alle diese Funktionen sind Teile der sog. „Griffkraft“. Eine Vielzahl an Muskeln ab dem Ellbogengelenk abwärts ermöglichen die unterschiedlichsten und hoch präzisen Bewegungen unserer Greiforgane. In der Hand selbst befindet sich allerdings keine Fingermuskulatur, sondern nur die Sehnen und Ansätze der Handbeuger und -strecker im Unterarm. Daumen und Handfläche haben hiervon unabhängig ihre eigenen Muskeln.


Hier (ein paar) Funktionen der Finger, des Handgelenks und der Handfläche:

Finger gestreckt und anligend; Handfläche gestreckt


Finger gestreckt und abgespreizt; Handfläche gestreckt


 
Finger gebeugt und anliegend; Handfläche gestreckt 


 Finger gebeugt und abgespreizt; Handfläche gestreckt


Finger gebeugt und anliegend; Daumen maximal anliegend und Handfläche gebeugt 
(Die gute, alte Faust: Beliebtes Argument seit der Steinzeit) 


Handgelenk neutral


Handgelenk gestreckt


Handgelenk gebeugt


 Handgelenk zur Elle gebeugt


 Handgelenk zur Speiche gebeugt


Handfläche überstreckt


 Handfläche gebeugt


Die Mediziner unter Euch mögen mir Ungenauigkeiten oder fehlende lateinische Begriffe bitte verzeihen. Das hier soll nur ein grober Überblick über unsere ganz einfachen Finger- und Handstellungen sein. All diese Positionen verbindet das Wunderwerk Hand in alltäglichen Situationen sehr dynamisch und genau.

Weiter geht es mit ein wenig Theorie zum Training. Eine ausführliche Trainingsanleitung erscheint in unserem dritten und letzten Teil - das große Finale mit Pauken und Trompeten.


Traditionell wird die Griffkraft in drei Klassen eingeteilt:

Crushing/Squeezing (Quetschen): Hierunter versteht man (meistens) die Kraft, die z.B. den oben genannten Gripper schließt. Das bedeutet, die Finger und die Handfläche kontrahieren und die direkte Daumenkraft ist hier eher Nebensache. Die Gripperszene ist sehr groß und die schwersten Ausführungen haben eine Spannung von 150 kg und mehr: Captain of Crush #4 - dieser Gripper gilt als die absolute Oberklasse, mit einem Widerstand von 165 kg. Nur 5 Menschen konnten dieses Ding seit seiner Einführung von IronMind im Jahr 1994 offiziell schließen. Hier ist einer davon: Magnus Samuelsson. Crushing trainiert man am besten mit diesen Grippern, speziellen „Grip-Maschinen“ oder mit Fingercurls, hierzu aber mehr in Teil 3. 

Pinching (Kneifen): Das bedeutet, der Daumen drückt gegen die Finger. Ganz klassisch ist  das „pinchen“ von einer oder mehreren Hantelscheiben, wobei die Finger normalerweise gestreckt sind. Stellt Euch hier die Hände wie eine Art Schnabelzange vor. Diese Kategorie der Handkraft umfasst aber unzählige Diziplinen. Hier mal der Weltrekord im 1-Hand Pinch aus dem Jahr 2013: Kody Burns. Der Typ ist auch gutes Beispiel dafür, dass man kein 120 kg Steroid-Eimer sein muss, um in der Welt des Grip-Sport was zu reißen, siehe auch Joe Kinney oder den im ersten Teil unserer Serie bereits erwähnten Bruce White. Hier noch der berüchtigte Klimmzugspezialist Karl Humer aus Österreich: Rafter Pullup. (Karl ist häufig zu sehen auf sehr empfehlenswerten Seite www.naturtraining.net) Das ist Pinch-Kraft der allerhöchsten Stufe. Berühmte Herausforderungen sind auch der Hub oder der Blob, in Teil 1 bereits näher vorgestellt.

Support (Stützen oder Tragen): Wenn man eine schwere Hantel vom Boden hebt, dann „supporten“ die Finger das meiste Gewicht und der Daumen sorgt für den Verschluss der Hand. Support-Grip gibt es also beim Kreuzheben, beim Rudern, beim Klimmzug, Farmer’s Walk oder kurz gesagt, bei jeder Zugübung. Die berühmten Challenge-Hanteln der vergangenen Zirkusathleten wurden das letzte mal ja auch schon vorgestellt. Diese haben gemeinsam, dass ihr Griffdurchmesser außergewöhnlich groß ist. Im englischen Sprachgebrauch redet man hier von „Thick Bar“, also „dicke Stange“. Je größer der Durchmesser einer Hantel wird, desto schwieriger wird es auch, diese zu heben. Die mittlerweile sehr populären „Fat Gripz“ sollen genau das simulieren. Apollon’s Axle, Inch Dumbbell und einige andere berühmt gewordene Hanteln sind also die historischen Vorreiter. Auch der berühmte „Rolling Thunder“-Griff, wiederrum von IronMind, ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Griffkraft-Wettbewerbe. 

Wrist Strength (Handgelenkskraft): Kraft im Handgelenk bedeutet, die Muskeln des Unterarmes stabilisieren die Hand entweder isometrisch gegen einen festen Widerstand oder sie arbeiten dynamisch so wie z.B. bei den Wrist Curls. Wer unseren Artikel über das Training mit dem Vorschlaghammer gelesen hat, der weiß, was mit „Levering“ gemeint ist. „Hebeln“ bedeutet, dass man einen Vorschlaghammer an beliebigen Positionen des Stiels entweder über einen bestimmten Zeitraum versucht parallel zum Boden zu halten, oder man „hebelt“ (dieser YT-Kanal ist sehenswert) den Hammer aktiv hoch und runter. Auch hier gibt es unglaublich kräftige Spezialisten, wie z.B. „Slim the Hammer Man“. 

Extension (Fingerstreckung): Eine oft übersehene Funktion unserer Handkraft. Die Finger sind nicht nur zum Zupacken da, sondern sollten, gerade bei „handintensiven“ Sportarten wie Klettern oder Kampfsport, auch ab und zu kräftig gestreckt werden. Probleme entstehen, wenn sich die Leute zu sehr auf die Greiferei konzentrieren und dabei die Antagonisten vernachlässigen. Diese Dysbalance-Problematik findet man aber in jedem Krafttraining. Ich erinnere an unser Ausganszitat von Dan John: „The body is one piece“. Die Extensoren der Hand trainiert man entweder mit einem einfachen Gummiband oder völlig minimalistisch mit dem Eigenwiderstand der anderen Hand. Erklärung folgt...


Im dritten und letzten Teil über die Griffkraft lassen wir dann trainingstechnisch die Sau raus. Hier kriegt ihr dann Workouts, D.I.Y. Bauanleitungen und die volle Palette aus Coach Pierres wunderbarer Welt der Hand-Schwerkraft.

Bis dahin...
Coach Bernd